Digitalisierung auf Friedhöfen. Digitale Veränderungen:Arbeitsabläufe in der Praxis

Die Digitalisierung von Abläufen auf Friedhöfen bringt viele Vorteile mit sich, doch auch ein paar Nachteile sollten Berücksichtigung finden. Sabine Meißner im Gespräch mit Stefan Schumacher.

Stefan Schumacher, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens PBSGEO GmbH, Köln, warb als Referent des Symposiums der FUNUS Stiftung voller Enthusiasmus für die Digitalisierung der Friedhöfe(siehe auch Friedhofskultur 7-2023). Dabei berichtete er aus seiner Praxis und erläuterte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, was in etwa auf sie zukommt, wenn die Digitalisierung in Angriff genommen wird.

Würden Sie bitte kurz die Tätigkeit Ihres Unternehmens beschreiben?

Stefan Schumacher: Wir können auf elf Jahre Erfahrung in der Softwareentwicklung und Datenerfassung zurückblicken. Wir liefern erforderliche Programme zur Friedhofsdigitalisierung sowie für die digitale Verwaltung des öffentlichen Grüns. Unsere Anwendungen richten sich an öffentliche, kirchliche und privatwirtschaftliche Einrichtungen und Organisationen. Derzeit sind wir Marktführer für den digitalen Friedhofsplan im deutschsprachigen Raum und fanden unter anderem Anerkennung als Gewinner beim Urbanana Award 2020, einem Preis für kreative Projekte im Städtetourismus von Nordrhein-Westfalen, sowie als deutscher Preisträger beim HIPE- Award 2023, einer Auszeichnung für Dienstleister.

Wofür steht denn die Abkürzung PBSGEO?
Schumacher: Der erste Teil unseres Firmennamens, also PBS, kommt von Planungsbüro Schumacher. Das ist das Ingenieurbüro meines Vaters, in dem ich in den ersten Jahren meiner Berufstätigkeit beschäftigt war. GEO steht für Geoinformatik, weil anfänglich vorgesehen war, die freiberuflichen Leistungen des Ingenieurbüros in die Geoinformatik zu erweitern. Mittlerweile haben wir uns auf die Themen Friedhöfe, Bäume und öffentliches Grün spezialisiert.


Wie viele Beschäftigte sind in Ihrem Unternehmen tätig?
Schumacher: Wir haben jetzt 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den Bereichen Softwareentwicklung, Anwenderunterstützung und Datenerfassung arbeiten.


Wer nutzt Ihre Produkte?

Schumacher: Bis heute arbeiten über 160 Verwaltungen unterschiedlicher Größe mit unseren Lösungen. Wir verfügen dabei für jede Größenordnung über gesonderte Lösungsansätze, denn eins ist klar: Auch wenn es überall um das gleiche Thema geht, so ist die Vorgehensweise jeweils eine andere. Bei kleinen Friedhofsverwaltungen wird die komplette Verwaltungstätigkeit mit ein bis zwei Personen abgewickelt, was sehr benutzerfreundliche, sich auf das Wesentliche fokussierende Anwendungen erfordert. Große Friedhofsverwaltungen hingegen haben fast für jeden Bereich einen Experten. Für all diese Personengruppen sind jeweils andere Sichtweisen auf die gleichen, zum Teil aber auch andere Daten erforderlich. Es ist auch zu berücksichtigen, dass einige nur am Desktop-PC arbeiten, andere nur mobil, also mit einem Smartphone oder Tablet. Zu den Friedhofsverwaltungen kommen zudem immer mehr Grünflächenämter hinzu, die unsere Anwendungen für die Verwaltung der öffentlichen Bäume und des öffentlichen Grüns verwenden.


Beschreiben Sie doch bitte kurz die Vorteile, die von der Digitalisierung zu erwarten sind.
Schumacher:
Ich könnte viele Vorteile nennen, beschränke mich aber auf Beispiele. Als Erstes sei die Effizienzsteigerung erwähnt, denn durch die Digitalisierung können Prozesse leistungsfähig gestaltet werden, was Zeit und Ressourcen spart und zu höherer Produktivität führt. Die Daten sind nur einmal einzugeben, was zugegebenermaßen ein ziemlich hoher Aufwand ist. Aber sie können digital zueinander in Bezug gestellt und dann automatisiert gegeneinander abgeglichen werden. Das trägt zur Vermeidung von Fehlern bei.
Die Friedhofsverwaltungen werden außerdem im Zuge der Digitalisierung viel flexibler, denn die Beschäftigten sind in der Lage, von überall aus zu arbeiten. Jemandem, der gerade auf dem Friedhof tätig ist, kann beispielsweise vom Büro aus auf dem Tablet angezeigt werden, welcher Auftrag kurzfristig hereinkam und gleich erledigt werden kann. Zudem können sich die Beschäftigten mehrerer Gewerke vernetzen, etwa Steinmetzinnen, Gärt- nerinnen und/oder die Verwaltungsangestellten. Auf Veränderungen jeglicher Art kann damit schnell reagiert werden. Die Entscheidungen können auf der Basis eines viel robusteren Datenfundaments getroffen werden, da sehr große Datenmengen automatisiert verarbeitet werden. Umfangreiche Auswertungen und Analysen lassen sich einfach per Mausklick abrufen. Das führt zu einer realistischen Betrachtung der Situation und somit auch zu einer besseren und vor allem nachhaltigen Entwicklung der Friedhöfe. Es existiert ja dann quasi ein digitaler Zwilling des Friedhofs, von dem jederzeit der Status quo abzulesen ist.


Das bezieht sich auf den Zustand nach der Eingabe aller Daten?

Schumacher: Ja, und wenn die Daten einmal digitalisiert sind, ist es außerdem möglich, diese relativ einfach mit den Gewerken zu teilen. Es können beispielsweise den gärtnerisch Beschäftigten oder Bestattern einzelne Aufgaben der Verwaltung zugespielt werden, die dann die technische Friedhofsverwaltung für einen Teilbereich übernehmen. Ebenfalls kann die Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlich organisierten Ruheforsten digital abgebildet werden.

Das klingt gut, insbesondere wenn man an die jetzige Situation mit mangelnden Arbeitskräften und viel Bürokratie denkt.

Schumacher: Tatsächlich bedeutet Digitalisierung, sich auf den Weg zu machen und immer mehr Innovationen zu erschließen. Vieles, was heute Standard ist, wäre ohne die Digitali- sierung nicht möglich gewesen. Anderes, was vermutlich in fünf Jahren Realität sein wird, erscheint uns heute noch wie Science Fiction. Ein solches Zukunftsthema ist beispielsweise die Online-Grabberatung und -vermarktung. Damit kann von daheim oder mit einem mobilen Endgerät auf dem Friedhof das gewünschte Grab für einen verstorbenen Angehörigen ausgewählt und auch reserviert werden.

Welche Möglichkeiten ergeben sich für kulturhistorisch Interessierte?

Schumacher: Auch das ist ein Thema, das in die Reihe der Vorteile passt: die Möglichkeit der Darstellung von ergänzenden Informationen zu prominenten Verstorbenen sowie bedeutenden Grabanlagen. Wer einen Friedhof besucht, kann sich dann über die Lebensstationen bestimmter Verstorbener oder hinterlegte Daten zur Historie von bedeutenden Grabmalen informieren, und zwar real vor Ort sowie virtuell im Internet.

Die Liste der Vorteile ist lang, aber gibt es auch Nachteile?

Schumacher:

Ja, ich will nicht verschweigen, dass es auch eine Kehrseite der Medaille gibt. Völlig neue Herausforderungen ergeben sich im Umgang mit dem Datenschutz. Die Abhängigkeit von der Technik und der Technologie kann ebenfalls zum Nachteil werden, etwa dann, wenn Systeme ausfallen oder gehackt werden. Der größte Nachteil ist der zeitliche Aufwand bei der Erstdatenerfassung. Ohne die geht es aber nicht, und diesen Aufwand mit Erfassung und Eingabe der Sachdaten hat man ja nur einmal. Wenn diese Arbeit getan ist, dann ist der Nutzen tatsächlich immens.

Wie sieht es mit den Kosten aus?

Schumacher: Das ist eine gute Frage. Ich erwidere sie gerne mit einer Gegenfrage, etwa: Wie teuer ist ein Auto? Es kommt darauf an. Manche bekommt man (fast) geschenkt, für andere muss man mehrere zehntausend Euro auf den Tisch legen. Aber zurück zum Thema. Es fängt bei kleinen Projekten mit etwa 5.000 Euro an, kann aber bei größeren Umsetzungen um ein Vielfaches teurer werden. Maßgeblich entscheidend für den Preis sind die Datenmenge, die Datengrundlage und die gewünschte Konfiguration der Anwendung.

Wie lange dauert es etwa für eine Friedhofsverwaltung mittlerer Größe vom Beginn bis zur fertigen Digitalisierung, also bis zum Funktionieren der digitalisierten Abläufe?

Schumacher: Gehen wir im Beispiel mal von 10.000 Gräbern aus. Da kann es sehr schnell gehen, also etwa nach vier bis sechs Wochen kann das Projekt abgeschlossen sein, sofern alle Daten zur Verfügung stehen. Fehlen die Grundlagendaten, dann dauert es etwa doppelt so lange.

Was möchten Sie den Verwaltungen und Unternehmen mitteilen, die noch Hemmungen bei der Einführung der Digitalisierung haben?

Schumacher: Die Digitalisierung lässt sich aufschieben, aber nicht verhindern. Ich meine, sie sollten sich „den richtigen Partner“ suchen und loslegen. Die Verbesserung der Arbeitsabläufe wird erheblich sein.

Quelle: Friedhofskultur, August 2023